Vortriebsart im Albulatunnel
Der Tunnel wird gleichzeitig von der Seite Preda und von der Seite Spinas gebaut. Der zeitlich parallel ausgeführte Vortrieb verspricht eine kurze Bauzeit und das nötige Mass an Flexibilität, sollte einer der beiden Vortriebe gestört werden. Zudem wird so der früheste Zeitpunkt erzielt, um an das qualitativ hochwertige Felsmaterial aus dem Albulagranit für die Aufbereitung zu gelangen.
Bei der Frage nach der bestmöglichen Vortriebsart werden verschiedene Faktoren beachtet. So muss zum Beispiel neben den Kosten und der Zeitplanung auch die Zugänglichkeit der Baustelle und die Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes beachtet werden. Die Art des Vortriebs ergibt sich aus den vorhandenen geologischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten. Daneben haben beim Albulatunnel aber auch die Umweltaspekte eine Rolle gespielt, welche für einen Vortrieb im Sprengverfahren sprechen. Beim Sprengen fällt bis zu 21 Prozent weniger Ausbruchmaterial an als bei einem Vortrieb mit der Tunnelbohrmaschine. Dies hat beim Sprengvortrieb den Vorteil einer kleineren Materialverwertung und einer wesentlich geringeren Deponiemenge. Beim Sprengvortrieb kann der Ausbruchquerschnitt entsprechend den zu durchörternden Gesteinen flexibel und kurzfristig angepasst werden.
Dem harten Gestein des Albulamassivs rücken die Mineure mit Sprengstoff zu Leibe. Der Ausbruch erfolgt im normalen Felsgestein in Etappen von 3 bis 4 Metern.
Der Sprengprozess läuft wie folgt ab:
1. Erstellen der Bohrlöcher mit Bohrjumbo an der Tunnelbrust
2. Bohrlöcher freiblasen und prüfen
3. Laden der Bohrlöcher mit Sprengstoff und Zündmittel
4. Zündsystem anbringen: Zündkreis installieren und Zündschnüre mit dem Zünder verbinden
5. Bohrlöcher verdämmen und prüfen
6. Arbeitsstelle verlassen und Aufsuchen des Schutzcontainers
7. Sprengen
8. Wartezeit im Schutzcontainer, bis der Staub und die Sprengschwaden/Gase abgezogen sind und ausreichend Frischluft zugeführt ist
9. Kontrolle des ausgebrochenen Profiles auf lose Felsstücke und Felsreinigung
10. Sicherung des Arbeitsbereiches mit Ankern, Bewehrungsmatten, Spritzbeton
11. Schuttern: Aufnahme und Abtransport des Ausbruchmaterials
Gesprengt wird der Albulatunnel beinahe auf der gesamten Länge von 5860 m. Ausgenommen sind lediglich die Voreinschnitte, welche im Tagbau vorgenommen werden sowie die Lockergesteinstrecken (ca. 257 m) und die Zone der Raibler-Rauwacke (ca. 130 m), wo der Ausbruch mechanisch mit Abbauhammer erfolgt. In den Bereichen Lockergestein und Rauwacke braucht es aufgrund der besonderen Gesteinsbeschaffenheit differenzierte Verfahren:
Voreinschnitte: Um den bergmännischen Vortrieb zu starten wird zunächst eine vertikal stehende, das ganze Tunnelprofil abdeckende Baugrubenwand als Startpunkt erstellt. Diese Baugrube wird als «Voreinschnitt» (im Gelände) für den nachfolgenden bergmännischen Tunnelbau bezeichnet. Im Voreinschnitt wird der Tunnel nicht bergmännisch, sondern im Tagebau erstellt.
Preda: Die Baugrube des Voreinschnittes wird zum bestehenden Tunnel hin durch eine offene, rückverankerte Bohrpfahlwand gesichert. Der gegenüberliegende Baugrubenabschluss wird auf den letzten Metern vor der Portalwand durch das gleiche System gesichert. Die restlichen Böschungen werden durch Nagelwände befestigt. Das neue Portal wird etwas rückversetzt zum Tunneleingang des bestehenden Albulatunnel erstellt und mit Natursteinen verkleidet.
Spinas: Die nördliche Böschung auf der Seite des neuen Tunnels wird mithilfe einer Nagelwand gesichert. Das neue Portal wird in der Verlängerung des bestehenden Portals erbaut und ebenfalls mit Natursteinen verkleidet.
Lockergestein
Die Ausbrucharbeiten in den oberflächigen Lockergesteinsstrecken auf der Seite Preda (27 m) und Spinas (230 m) werden im Schutze eines Rohrschirm-Gewölbes vorangetrieben. Der auszubrechende Tunnel wird dazu mit bis zu 15 Meter langen Rohren versehen, welche in Tunnellängsrichtung ausserhalb des auszubrechenden Querschnitts platziert werden. Hierzu werden in einem ersten Schritt Bohrungen ausgeführt, in einem zweiten Schritt werden die Rohre in den Bohrungen eingesetzt und die Rohre innen und aussen mit Zementinjektionen verpresst. Dieser Schirm verbessert das anstehende Gebirge derart, dass der Tunnel in kurzen Etappen ausgebrochen und gesichert werden kann. Alle 10 Meter wird ein neuer Rohrschirm erstellt, sodass sich die Rohrschirme überlappen.
Raibler Rauwacke
Für die Durchörterung der Rauwacke wird das Gebirge vorgängig behandelt. Das umliegende Gebirge wird verfestigt und die Durchlässigkeit reduziert. Dies ist je nach Zustand des Gebirges unterschiedlich zu erreichen. Auf den ersten etwa 100 Meter wird das Gebirge mittels Injektionen verfestigt und gleichzeitig abgedichtet. Auf den letzten 25 Metern steht schwimmendes Gebirge an, welches mittels einer Vereisung stabilisiert und abgedichtet wird. Für die Vereisung werden in einer bereits zuvor erstellten Kaverne, welche kurz nach der Raibler Rauwacke im Fels liegt, Bohrungen in Längsrichtung um das künftige Ausbruchsprofil gemacht. In diesen Bohrungen werden anschliessend die Gefrierrohre eingebaut, welche mit den Kühlaggregaten in der Kaverne verbunden werden. Das vorhandene Wasser im Gebirge wird auf diese Weise gefroren. Damit wird der gesamte Gebirgsbereich verfestigt und abgedichtet. Anschliessend wird durch den vereisten Bereich ein statisch günstiges, fast rundes Tunnelprofil ausgebrochen. Der Ausbruch und die Sicherung erfolgen in kurzen Etappen von 1 Meter Länge.